Im Jahr 2000 gründeten die beiden Freunde Thorvald Stoltenberg und Egon Bahr die politisch unabhängige Norwegisch-Deutsche Willy-Brandt-Stiftung. Der Hintergrund für diese Initiative bestand in der "Deutschland-Strategie", die im Jahr zuvor von der norwegischen Regierung vorgelegt worden war. In diesem Rahmen schlug das norwegische Außenministerium die Gründung einer norwegisch-deutschen Stiftung vor, und sie nach Willy Brandt zu benennen.
Die Deutschland-Strategie wurde in der Folge mehrmals erneuert, zuletzt im März 2024. Ihr Ziel ist es, neben der Ausweitung der bilateralen Beziehungen auch ein stärkeres Interesse für Deutschland in Norwegen zu schaffen. Dies sind auch die Ziele der Stiftung. In diesem Sinne setzt sie sich dafür ein, das gegenseitige Wissen über einander und die deutsch-norwegische Zusammenarbeit in Bereichen wie Politik, Gesellschaft, Kultur, Wirtschaft, Ausbildung und Sprache zu intensivieren.
”Die Stiftung war das Kind des aufkommenden Interesses an Deutschland und an den Beziehungen zu Deutschland, welches allmählich bemerkbar wurde”, sagte Thorvald Stoltenberg 2010, als die Stiftung ihr 10-jähriges Bestehen feierte. In den frühen 1990er Jahren seien die Norweger über das Deutschlandbild, welches sich nach dem Zweiten Weltkrieg in den Köpfen festgesetzt hatte, hinweggekommen, so Stoltenberg in seiner Rede. Die Normalisierung sei zuerst auf wirtschaftlicher Ebene erfolgt, als Deutschland die Rolle als wichtigster Handelspartner Norwegens übernahm. Die wirtschaftliche "Normalisierung" kann etwa auf 1980 datiert werden, als Norwegen und Deutschland wichtige Gas-Abkommen eingingen. Später umfasste das neue Interesse an Deutschland noch breitere Gruppen, nicht zuletzt auf Seiten der Politik. Der Fall der Mauer 1989, die Wiedervereinigung 1990 und der Umzug der Hauptstadt nach Berlin trugen zur Festigung des neuen Interesses bei. "Viele von uns sahen die Notwendigkeit, das Interesse an Deutschland durch die Förderung eines Austauschs und den Ausbau persönlicher Kontakte zu unterstützten", sagte Thorvald Stoltenberg in seinem Rückblick auf die Entstehung der Stiftung.
Heute sind die Beziehungen zwischen Norwegen und Deutschland durch Offenheit und gegenseitiges Verständnis geprägt. Im Laufe der 21 Jahre, die seit der Gründung der Stiftung vergangen sind, hat Deutschland seine Stellung als einer von Norwegens wichtigsten Partnern auf den meisten gesellschaftlichen Gebieten gefestigt. Im Zuge dieser Entwicklung hat der Bedarf an Wissen über Deutschland und die deutsche Sprache in Norwegen ein neues Hoch erreicht - und von deutscher Seite wird ein immer größeres Interesse nach Kontakt und Zusammenarbeit mit Norwegen verzeichnet.
Nach 21-jähriger Tätigkeit hat sich die Norwegisch-Deutsche Willy-Brandt-Stiftung fest etabliert und ihren Platz gefunden. Die drei tragenden Säulen der Stiftungsarbeit bestehen in der Vergabe von Fördermitteln für Projekte, die zum Austausch zwischen beiden Ländern beitragen, der jährlichen Vergabe des Norwegisch-Deutschen Willy-Brandt-Preises sowie der regelmäßigen Durchführung von Veranstaltungen, wie z.B. Diskussionsforen.
Anlässlich des 20 jährigen Jubiläums der Stiftung im Jahr 2020 haben wir ein Jubiläumsvideo produziert. Gleichzeitig wurde auch ein Flyer mit Informationen über die Stiftung erarbeitet.
Die "Deutschlandstrategie" der norwegischen Regierung
Die Deutschlandstrategie der norwegischen Regierung ist ein wichtiges Instrument zur Stärkung der deutsch-norwegischen Beziehungen, seit sie 1999 erstmals vorgestellt wurde und sowohl in Norwegen als auch in Deutschland auf großes Interesse stieß. Im Jahr 2007 wurde die Strategie überarbeitet und im selben Jahr durch einen Maßnahmenplan ergänzt. Eine erneute Überarbeitung folgte 2014 und dann im Jahr 2019. Die neue Deutschland-Strategie wurde 2024 vorgelegt. Außenminister Espen Barth Eide brachte die Strategie im März 2024 nach Berlin mit, zu einem Treffen mit seiner deutschen Kollegin Annalena Baerbock. Die Strategie betont fünf Hauptbereiche, die für Norwegen bei der weiteren Entwicklung der Zusammenarbeit mit Deutschland in den kommenden Jahren wichtig sind: Gemeinsame Werte, Außen- und Sicherheitspolitik, Energiewende und wirtschaftliche Zusammenarbeit, Sicherheit und Wohlfahrt sowie Bildung und Kultur. Die Deutschland-Strategie - auf Deutsch...
Egon Bahr
Egon Bahr wurde 1922 in Treffurt, Thüringen geboren. Er starb 2015 im Alter von 93 Jahren. Bahr galt als einer der engsten Mitarbeiter - und Vordenker - Willy Brandts und hat die deutsche Politik entscheidend geprägt. Er war als Realist bekannt und zu seinen berühmten Zitaten gehört der Satz: "Verstand ohne Gefühl ist unmenschlich; Gefühl ohne Verstand ist Dummheit." Hier können Sie den Nachruf auf Bahr lesen, der von seinem Freund Helmut Schmidt geschrieben und am 10. September 2015 in "Die Zeit" veröffentlicht wurde: Mehr...
Thorvald Stoltenberg
Thorvald Stoltenberg, geboren 1931 in Oslo, leitete 1958 seine lange Karriere als Diplomat ein, und war u.a. mit seiner Familie in Jugoslawien auf Posten. In den 1960er Jahren war er persönlicher Sekretär des Außenministers und in den 1970er Jahren Staatssekretär in mehreren sozialdemokratischen Regierungen. Von 1979-1981 war er Verteidigungsminister. Von 1987 bis 1989 und erneut von 1990 bis 1993 war er norwegischer Außenminister. Zusammen mit den beiden ehemaligen Außenministern Knut Frydenlund und Johan Jørgen Holst (beide verstorben) gilt Thorvald Stoltenberg als Architekt der norwegischen Außenpolitik der Jahre 1976-1994. 1990 war er Hoher Flüchtlichgskommissar der UN und von 1996-1999 norwegischer Botschafter in Kopenhagen. Nach seiner politischen Karriere war er Präsident des Norwegischen Roten Kreuzes (1999-2008) und Berater im Außenministerium. Seine Ehefrau, Karin Stoltenberg, die 2012 verstarb, war in den 1970er Jahren maßgeblich an der Entwicklung der neuen norwegischen Familienpolitik beteiligt. Der ehemalige Premierminister Norwegens und derzeitige NATO-Generalsekretär, Jens Stoltenberg, ist der Sohn von Thorvald und Karin Stoltenberg. Anlässlich des 100. Geburtstages von Willy Brandt erschien 2013 im Tagesspiegel der von Thorvald Stoltenberg verfassten Artikel "Offenheit, Dialog und Kompromiss": Mehr...
Thorvald Stoltenberg starb am 13. Juli 2018. Nachruf zum Tod von Thorvald Stoltenberg am 13. Juli 2018...