Rede anlässlich des 10-jähriges Jubiläums der Stiftung 2010
Von Jahn Otto Johansen
Meine Damen und Herren,
Es ist immer die selbe Frage Wenn Deutsche und Norweger einander treffen: Soll man Deutsch, Norwegisch oder „Neu Norwegisch“ (das heisst Englisch!) sprechen?
Die Deutschen sind immer höflich und sprechen gern Englisch weil sie wissen dass die meisten Norweger nicht Deutsch verstehen. Leider ist Deutsche Sprachunterricht und Deutsche Punktlichkeit keine Norwegiche Chefssache, Frau Ministerin.
Wenn ich in den Deutschen Botschaft im Jahr 2000 Das Verdienstkreuz bekam, haben sowohl der Botschafter als auch der niedersächsischen Ministerpräsident Gabriel Englisch in sein Laudatio gesprochen und er hat auch Swedisch mit meine Frau gesprochen. Mein Gott, nur ich allein hab` es versucht Deutsch zu sprechen.
Meiner Meining nach wäre es schön wenn wir Deutsch oder Norwegisch, nicht Englisch, in Deutsch-Norwegische Bezieungen sprechen.
Wir wissen alle dass wir an Deutschland, nicht an unseren Nordischen Brüder und Schwester in EU einen starken Rückhalt haben. Unabhängig davon, wer gerade in Deutschland und Norwegen regiert, haben die Türen immer offen gestanden, zuerst in Bonn und jetzt in Berlin.
Allerdings glaube ich nicht, dass wir richtig mitbekommen haben, dass auch bei den Politikern und Regieringsbeamten in Deutschland neue Generationen nachwachsen, und da nützt es nichts, sich auf persönliche Beziehungen von früher zu verlassen.
Wir wissen das Deutschland ein sehr wichtiger Handelspartner für Norwegen ist - als Empfanger unser Erdgas und Fisch. Aber nach viele Jahren als Wahlberliner weiss ich auch dass die Norwegische Spezialitet – Lutefisk (gelaugter Stockfisch) – kein Knüller in Deutschland wird.
Vor vielen Jahren hatte der Norwegische Botschaft in Berlin ein Lutefisk-Mittagsessen für Kronprinz Haakon arrangiert, und alle leitende Deutsche Regieringsmitglieder waren da. Niemann wollte absagen.
Ich habe damals eine Mini-Vorlesung gegeben und konnte unsere Deutschen Freunden eine kleine Historische Sensation erzählen. In die Nachforschung für die neue und ergänzte Auflage meines Lutefisk-Buches habe ich in den Deutschen Archiven ein sehr altes Rezept gefunden. In 1553 erzählt Sabrina Welserin in ein Kochbuch für den gnädingen Herrn von Lindau – damals Bischof in Konstanz – wie man aus Stockfisch Lutefisk macht. Das ist genau in der gleichen Weise wie man es heut` zu Tage in Norwegen macht. Dieses Rezept aus Konstanz ist das älteste Lutefisk-Dokumentation das wir kennen. Eine Überraschung, nicht war?
Lutefisk stammt aus Deutschland, aber es wurde in diesem Land ganz vergessen. Theodor Fontane erzählt in seine „Irrungen und Wirrungen“ viel von Essen und Trinken, aber nichts von Lutefisk. Von Deutschland ist Lutefisk über Schonen (Skåne) nach Norwegen gekommen. Das kann, meine Damen und Herren, ein Schönes Beispiel für Deutsch-Norwegische Wahlverwandtschaft genannt werden.
Sind diese Observationen meine wichtigste Eindrücke nach ein langes Leben mit Deutschland und die Deutschen?
Doch nicht. Aber Ich spreche gern mit die Deutschen, die ich in meine Stamkneipen treffen- nicht wie früher in Taxis. Heute zu Tage gib`t es nur Türkische oder Arabische Chauffeuren. Meine Stamtisch-Freunden kommentieren nicht nur die grossen politischen Frage, aber auch so genannten Kleinigkeiten. Das ist typisch für Stammkneipen.
Die letzte Woche konnte ich diese Kommentar zu der Euro-krise hören: „Ich schlage vor, einen 1000-Euro-Schein mit Krokodil als Bild Drucken. Begründung: Bis zum hals im Wasser, aber immer die grosse Schnauze.“
Mein Stammtisch hat auch ein Wort für andere wichtige Fragen, zum Beispiel das Integrationsproblem:
Was ist der Unterschied zwischen Türken und Bayern? Türken sprechen meist besser Deutsch.
Als Wahlberliner verstehe ich das besondere Verhältnis zwichen Berliner und Bayern. Dies ist wichtig in Deutschland, aber die Ausländer verstehen es immer nicht: Heimat ist wichtiger als Staat. Deine Heimat-Gehörigkeit ist wichtiger als deine Deutsche Staatsbürgerchaft.
Deutschland hat ein sehr reiches regionalkultur. Nicht nur Berlin hat Oper, Filharmonien, Theater und Gallerien im Weltklasse. Auch Deutsche provinzstädte die Norweger eben nicht kennen. Berlin ist wichtig und meiner Meinung nach ein fantastische Metropole, aber Berlin ist nicht ganz Deutschland. Das muss man unbedingt verstehen.
Viele wichtige Fragen wird in der deutschen Öffentlichkeit debattiert. Wir sollten auch in Norwegen laufend darüber informiert werden. Aber zur Zeit gibt es nur eine norwegische Zeitung, Aftenposten, die systematisch und profesionell über Deutschland berichtet. Der freie Mitarbeiter der norwegichen Rundfunk und Fernsehen NRK, die über Deutschland rapportiert, hat sein Wohnsitz in Brasilien.
In keinem anderen europäischen Land, ja, nicht einmal in den Vereigneten Staaten, wird so viel bedeutsame Literatur aus der ganzen Welt und vor allem aus Zentral- und Osteuropa, übersetzt wie in Deutschland.
Der ungarische Dichter Imre Kertèsz erzählte meiner Frau und mir bei einer Begegnung in Berlin, dass er niemals international bekannt geworden wäre und den Nobelpreis bekommen hätte, ohne die deutsce Übersetzungen und damit auch die Erscheinen seiner Büchern.
Ausserdem gibt es interessante Neuerscheiningen deutscher Autoren, sowohl Bellestrik als auch Sachbücher. Nach jedem Besuch in Berlin haben wir das Problem immer erhebliches Übergepäck zu haben. Deutschland ist auch wieder das, was sie vor Hitler und dem Nationalsozialismus war, ein wichtiges Tor zur Welt nicht nur für bildende Künstler, sondern auch für Autoren, Komponisten und Musiker aus Norwegen. Nicht nur mein freund Dag Solstad hat eine „Hütte“ in Berlin. Wenn der nach meinem Geschmack lesenswerteste norwegische Autor, Kjell Askildsen - jetzt ein grösseres internationales Publikum hat, ist das nicht zuletzt auf die Übersetzungen ins Deutsch zurückzuführen.
Die öffentliche Debatte in Deutschland ist im heutigen Europa ausserordentlich wichtig. Zum Beispiel wurde hier die Zukunft des Sozialstaates erstmals ernsthaft diskutiert. Der erste Sozialstaat der Welt war nicht, wie viele Norweger meinen, eine Erfindung von Einar Gerhardsen, dem ersten norwegischen Ministerpräsidenten nach dem Zweiten Weltkrige, sondern ist dem konservativen Fürsten Bismarck zu verdanken. Und der grosszügigste Sozialstaat der Welt wird nicht von Jens Stoltenberg regiert. Der grosszügigste Sozialstaat der Welt ist bis heute Deutschland.
Mein deutscher Zahnarzt schüttelte ungläubig den Kopf, als ich ihm erzählte, die Zahnbehandlung bei ihm würde nicht erstattet. Die Norwegische Krankenkasse deckt ja solche Ausgaben nicht. Was für ein Sozialstaat ist Norwegen eigentlich?, fragte er. Aber jetzt wird in Deutschland ernsthaft diskutiert über die Möglichkeiten and Grenzen des Sozialstaates. Wie viel Sozialausgaben kann eine moderne Gesellschaft sich leisten? Und wann wird der Sozialstaat zu einem Ruhekissen, das viele davon abhält, einer festen Arbeit nachzugeben?
In Deutschland begann auch die Debatte über die Herausforderungen der demograpischen Entwicklung: viel zu wenig Geburten, immer mehr ältere Menschen und weniger Berufstätige, die für die anderen aufkommen können. Die Integrationsdebatte in Deutschland liess lang auf sich warten, aber sie kam. Die Deutschen haben ihre Erfahrungen gemacht. Alle reden jetzt von Integration- aus Sehnsucht nach einem Zusammenhalt. Denn viele Menschen fühlen sich vieleicht fremd im eigen Land. Mann spricht von der Atomisierung der Gesellschaft, von der Zunahme an Parallellgeselchaften.
Daraus können auch wir Norweger etwas lernen.
In Deutschland hat man ein ganze Katalog von Problemen die man intensiv diskutiert. Man spricht von einer „Abstiegsangst, einer Angst vor dem Sozialen Abstieg oder soziale Dumping. Man spricht von eine zunehmende Orienterungslosigkeit. Kurz gesagt: Es herscht Hochkonjunktur für die sogenannte „Deutsche Angst“.
Aber anderseits gibt es optimistische Stimmen die das Gegenteil behaupten. All dies sollte uns Norweger interessieren, denn die selben Diskussionsthemen und Problemen werden nach und nach auch bei uns auf der Tagesordnung stehen.
Und um es ganz deutchlich zu sagen: Wenn die Deutschen es schaffen, auf eine gute Art und Weise diese Herausforderungen zu lösen, ist dies gut für Europa und auch für Norwegen. Sollte es Deutschland allerdings nicht gelingen seine Probleme zu lösen, ist das negativ für uns alle. So wichtig ist Deutschland für uns und Europa. In diesem Zusammenhang spielt, nach meiner Meinung, auch die nach dem vielleicht grössten Europäer, nach Willy Brandt, benannte Stiftung, eine wichtige Rolle.
Ich hatte die Freude, nach meiner ersten Begegnung mit Willy Brandt Mitte der 50er Jahre in Berlin immer guten Kontakt zu ihm zu haben. Er war ja uns Norwegern gegenüber viel zu grosszügig, hatte fast immer Zeit für ein Gespräch oder ein Interview, obwohl dies für sein politisches Tun und Lassen völlig uninteressant war.
Ich werde nie vergessen, wie ich Willy Brandt am 13. August 1961 auf dem Weg zum Brandenburger Tor und zum Potsdamer Platz begleitete, wenn die ostdeutsche Kommunisten schon mit dem Bau der Mauer begonnen hatten, um die Menschen in der DDR damit am Grenzübertritt zu verhindern, und nicht etwa DDR vor Imperialismus und Militarismus schützen sollte. Willy Brandt war dort als Regierender Bürgermeister der West-Berliner. Er brachte ihre Furcht zum Ausdruck als sie sich vom Westen im Stich gelassen fühlten.
Zum Schluss, vieleicht zu spät, kam dann John F. Kennedy und sprach die berümten Worte ins Mikrofon: „Ich bin ein Berliner“. Er hätte sagen sollen: „Ich bin Berliner!“. Nach dem terroranschlag auf die Zwillingstürme des World Trade Center sah ich Berliner- Studenten, die spontan T-Shirts mit der Aufschrift „Ik bin ein Newyorker“ produzierten, mit dem Berlinerischen „ik“ statt „ich“.
Willy Brandt machte sich keine Illusionen über die kommunistische Machthaber, wusste aber, wie wichtig Kontakte und vertrauenbildende Massnahmen waren, und was auch heute nötig ist. Ohne Willy Brandts Ostpolitik hätten wir 1989 vielleicht den Fall der Mauer und die Öffnung des Eisernen Vorhangs noch nicht erlebt.
Es erfüllt mich mit Stolz, dass mir vor 10 Jahren der Willy Brandt-Preis verliehen wurde, und ich kann sagen, dass die Gedanken und Ideen der Stiftuntg mich immer begleitet haben und mir bis zum heutigen Tag wichtige Impulse gegeben haben.
VIELEN DANK FÜR IHRE AUFMERKSAMKEIT.
Jahn Otto Johansen hat diese Rede während der 10. Verleihung des Norwegisch-Deutschen Willy-Brandt-Preises. Die Verleihung fand am 21. Oktober 2010 in Oslo statt. Der Preis wurde damals an Prof. Dr. Klaus-Ewald Holst und Dr. philos. Sverre Dahl vergeben.
Der Künstler Nils Aas
Der Preis besteht aus einer Willy-Brandt-Statuette des norwegischen Künstlers Nils Aas sowie einem Zertifikat und wird jährlich abwechselnd in Deutschland und Norwegen verliehen.
Nils Aas wurde 1933 auf Inderøy geboren und starb 2004 in Oslo. Er ist vielleicht vor allem wegen seiner Statue des norwegischen Königs Haakon VII. bekannt, die sich auf dem Platz des 7. Juni in Oslo befindet. Nils Aas gilt als einer der vielfältigsten Bildhauer der norwegischen Kunstgeschichte und hatte 1964 während der traditionellen "Herbstausstellung" (Høstutstillingen) sein Debut mit einer Statue des norwegischen Autors Johan Falkberget.
Nils Aas entwarf auch mehrere norwegische Münzen, unter anderem die 10- und 20-Kronen-Münzen.
Seine Künstlerwerkstatt ist heute ein Museum Mehr...
Rede von Günter Grass während der Preisverleihung 2003
Als der norwegisch-deutsche Willy-Brandt-Preis am 18. September 2003 in Lübeck, der Heimatstadt Willy Brandts verliehen wurde, hielt Günter Grass eine Rede, die unter anderem von einem fiktiven Mittagessen handelte, das er zu Ehren von drei großen, verstorbenen Politiker - Willy Brandt, Olof Palme und Bruno Kreisky, die sich alle in Stockholm kennengelernt hatten, dachte. Mehr...
Rede von Jahn Otto Johansen anlässlich des 10-jährigen Jubiläums der Stiftung 2010
Als der Willy Brandt-Preis während einer Zeremonie am 21. Oktober 2010 in Oslo verliehen wurde, hielt Jahn Otto Johansen eine Jubiläumsrede, die Sie hier lesen können. Der Preis ging in diesem Jahr an Prof. Dr. Klaus-Ewald Holst und Dr. phil. Sverre Dahl Mehr...