Bericht zu einem von der Norwegisch-Deutschen Willy-Brandt-Stiftung gefördertem Praktikum
Von Charlotte Nora Stahmann
Im Rahmen eines Praktikums habe ich drei Monate (Mai – August 2016) in der Konservierungsabteilung des Munch Museums in Oslo verbracht. Anlass für das Praktikum war mein bevorstehendes Master Projekt am Institut für Restaurierungs- und Konservierungswissenschaft (CICS) der Technischen Hochschule Köln zu dem Gemälde „Knabe mit roter Jacke“ (1903) von Edvard Munch. Bei dem Gemälde handelt es sich um das Portrait von Lothar Linde, dem jüngsten Sohn von Dr. Max Linde, einer der ersten Förderer des norwegischen Künstlers in Deutschland. Das Gemälde befindet sich in der Sammlung des Lübecker Museum Behnhaus Drägerhaus, s. Bild links: Edvard Munch, Knabe mit roter Jacke, 1903. Foto: Museum Behnhaus Drägerhaus, Lübeck.
Das Munch Museum
Edvard Munch schrieb 1940 in seinem Testament nieder, dass die Stadt Oslo nach seinem Tod seine hinterlassenen Werke verwalten solle. Es handelt sich dabei um mehrere tausende Gemälden und Graphiken, die heute die Kernsammlung des Munch Museums in Oslo bilden. Die steigende nationale und internationale Wertschätzung des Künstlers führt zu Besucherzahlen, denen das 1963 erbaute Museum nicht gerecht wird. Am Fjordufer in Bjørvika entsteht deswegen zurzeit der spektakuläre Museumsneubau „Lambda“. Hier wird die Sammlung ab 2020 zu erleben und bestaunen sein. Bis dahin stehen den Mitarbeitern des Museums arbeitsintensive Jahre bevor; das betrifft auch die Konservierungsabteilung. Hier wird die Sammlung optimal vorbereitet, um die meist fragilen Werke in ihrer Materialsubstanz vor dem Transport zu sichern. (Bild rechts: Edvard Munch und drei der Lindesöhne im Garten der Villa, 1903. Foto: Aus dem Katalog zur Ausstellung im Museum Behnhaus Drägerhaus Lübeck „Edvard Munch – Holzschnitte 1863 -1944“ von A. Bastek, 2011, S. 135.)
Konservierungsabteilung
In der Konservierungsabteilung arbeiten zurzeit sechzehn Mitarbeiter, darunter acht Gemälderestauratoren, vier Papierrestauratoren und seit Oktober 2016 eine Conservation Scientist (eine Naturwissenschaftlerin mit Schwerpunkt auf Konservierungswissenschaft).
Dieses außergewöhnlich große Team erlaubt den Konservatoren, sich neben den täglich anfallenden Aufgaben (Vorbereitung für den Umzug, Vorbereitung von Leihgaben und Ausstellungen, Kurierfahrten und präventive Konservierung) mit zentralen Forschungsfragen zu beschäftigen. Foto links: Praktikantin Misra Kaya, Projektmitarbeiterin Charlotte Nora Stahmann, Conservation Scientist Dr. Irina Sandu während einer der Diskussion in der Konservierungsabteilung. Foto: Munchmuseet / Rena Li.
Gesammelte Erfahrungen
Die praktische Arbeit an verschiedenen Gemälden hat es mir erlaubt, die Maltechnik von E. Munch und die damit einhergehenden Schadensphänomene der Sammlung besser kennenzulernen und zu verstehen. Eine wertvolle Erfahrung in Hinblick auf mein Master Projekt. Ich habe den spannenden Arbeitsalltag der Museumsmitarbeiter kennengelernt und konnte miterleben, wie sich ein Museum auf einen Umzug in ein deutlich größeres Museum vorbereitet (die Ausstellungsfläche wird sich fast verfünffachen! ). Foto rechts: Misra Kaya und Charlotte Nora Stahmann während der Untersuchung von Probekörpern im Zusammenhang mit dem Forschungsprojekt zu synthetischen Harzfirnissen. Foto: Munchmuseet / Rena Li.
Darüber hinaus war ich in die Arbeit an einem Forschungsprojekts involviert. In diesem Projekt geht es um die Entfernung von nachträglich aufgetragenen synthetischen Harzfirnissen auf Gemälde von E. Munch. Firnisse sind transparente Überzüge, die entweder vom Künstler selber oder nachträglich durch fremde Hand, direkt auf die Malschicht aufgetragen wurden. Firnisse dieser Art wurden vor fünf Jahrzehnten von Restauratoren des Munch Museums auf eine größere Anzahl von Gemälden aufgetragen, einige davon zählen zu Munchs Meisterwerken. Das in der Vergangenheit verwendete Material kann die unglücklichen Eigenschaften verbinden, mit zunehmendem Alter nicht nur zu vergrauen und spröde zu werden, sondern auch seine Löslichkeit zu verändern. Ziel des Projektes ist die Eruierung von Möglichkeiten zur Abnahme der Firnisse, ohne die darunterliegende Malschicht zu beschädigen.
Etablierung einer norwegisch-deutschen Kooperation
Nach meinem Praktikum habe ich mich erfolgreich um eine Projektstelle am Munch Museum beworben. Von November 2016 bis Ende 2017 bin ich mit Schwerpunkt auf dem oben beschriebenen Forschungsprojekt weiterhin am Munch Museum beschäftigt.
Seit meiner Rückkehr konnte ich bereits mehrmals Mitarbeiter der Norwegisch-Deutschen Willy-Brandt-Stiftung und der Deutschen Botschaft im Museum willkommen heißen. Im Juni dieses Jahres sind zwei meiner Professoren aus Köln meiner Einladung an das Munch Museum gefolgt. Neben dem Austausch mit norwegischen Konservatoren stand die Grundsteinlegung für weitere Kooperationen zwischen der TH Köln und dem Munch Museum im Fokus.
Ich freue mich aufrichtig über das Vertrauen und die Unterstützung, die ich von der Deutschen Botschaft in Oslo, meinen Professoren der TH Köln und besonders meinen Kollegen am Munch Museum und der deutsch-norwegischen Willy-Brandt-Stiftung erfahren habe.
Weitere Informationen
Das Munch Museum in Oslo
Institut für Konservierung und Restaurierung an der TH Köln
Museum Behnhaus Drägerhaus in Lübeck
Das Studium der Konservierungswissenschaft
Das Fach der Konservierung gewinnt seit seiner Akademisierung und dem ständigen technischen Fortschritt der Untersuchungsmethoden an wissenschaftlicher und kunsthistorischer Bedeutung. So gehört die Kunsttechnologie - bei der verwendeten Materialien und deren Anwendung durch den Künstler untersucht und analysiert werden - zu den zentralen Aufgaben eines Restaurators. Die Kennerschaft über die Materialwahl und die Gewohnheiten eines Künstlers im Malprozess sind wichtige Grundvoraussetzungen, nicht nur um Fälschungen zu identifizieren, sondern auch um Schadensphänomene zu begreifen und vorzubeugen und um neue Erkenntnisse in der Kunstgeschichte zu gewinnen und alte zu verifizieren. Konservierungswissenschaft mit einer Spezialisierung auf die Konservierung von Gemälden kann man in Deutschland an fünf Hochschulen und Akademien, in Norwegen nur an der Universität in Oslo studieren.